„Es war einmal eine kleine Hexe, die war erst einhundertsiebenundzwanzig Jahre alt, und das ist ja für eine Hexe noch gar kein Alter.“ So beginnt Ottfried Preußlers Kinderbuchklassiker „Die kleine Hexe“, das dieses Jahr seinen 60. Geburtstag feiert. Grund genug zur heutigen Walpurgisnacht erneut einen Blick hineinzuwerfen.
Worum geht es?
Die kleine Hexe ist einhundertsiebenundzwanzig Jahre alt, was zwar alt klingt, aber im Vergleich zu anderen Hexen noch sehr jung ist. Sie lebt zusammen mit ihrem Raben Abraxas in einem kleinen Hexenhaus in einem Wald und verbringt ihren Tag mit fleißigem Lernen von Hexensprüchen aus ihrem Hexenbuch.
Wie gern würde sie einmal zur Walpurgisnacht mit dem anderen Hexen auf dem Blocksberg tanzen, aber leider ist sie dafür noch viel zu jung und die anderen Hexen würden sie bestrafen, wenn sie sie dort erwischen würden. Das weiß die kleine Hexe auch und trotzdem macht sie sich auf den Weg und tanzt dort im wilden Treiben mit.
Es kommt aber wie es kommen muss. Sie wird von ihrer bösen Muhme Rumpumpel erkannt und vor die Oberhexe gebracht. Der Hexenrat fordert eine Bestrafung und so wird ihr Hexenbesen verbrannt. Die kleine Hexe muss nach Hause laufen. Allerdings wird ihr erlaubt künftig in der Walpurgisnacht mitzutanzen, wenn sie im nächsten Jahr zeigt, dass sie eine gute Hexe geworden ist.
Nach 3 Tagen und 3 Nächten kommt sie endlich daheim an, wo ihr Rabe Abraxas sie sehnsüchtig und sorgenvoll erwartet. Mit seiner Hilfe lernt sie ab sofort noch fleißiger, hilft Menschen in ihrer Not und bestraft diejenigen die Böses wollen. So hilft sie den alten Holzsammlerinnen, bewahrt einen Ochsen davor geschlachtet zu werden, führt einen bösartigen Förster wieder auf den rechten Weg zurück, zaubert allerdings auch verbotenerweise an einem Freitag. Alles scheinbar unter dem strengen Blick der Muhme Rumpumpel die sich in einer schwarzen Wolke verbirgt.
So vergeht ein Jahr und sie steht am Vortag der Walpurgisnacht erneut vor dem Hexenrat und muss zeigen dass sie eine gute Hexe geworden ist. Aber was ist eigentlich eine gute Hexe und wer tanzt am Ende alles um das große Hexenfeuer?
Kontroverse rund um die Neuauflage
Im Jahr 2013 gab es rund um eine Neuauflage des Buchs einen heftigen Shitstorm. Der Thienemann-Verlag hatte angekündigt seine Kinderbuchklassiker neuen Lesern leichter zugänglich zu machen und wollte heute ungebräuchliche Wörter durch leichter verständliche ersetzen (z.B. Schuhe putzen, statt wichsen) . Ebenso sollten Wörter die heute einen negativen Beigeschmack haben ersetzt oder gestrichen werden. Im Falle der kleinen Hexe betraf dies das Kapitel rund um die Fastnacht. In diesem verkleiden sich Kinder als Indianer, Menschenfresser, Eskimos und (um dieses Wort drehte sich die ganze Diskusion) als Negerlein.
Was folgte war ein gewaltiger Shitstorm im Netz und den Kommentarspalten. Von Zensur und übertriebener political correctnes war die Rede. Es wurden Vergleiche zur NS-Zeit oder Orwells 1984 gezogen. Dennoch blieb der Thienemann-Verlag bei seiner Position und veröffentlichte 2013 die veränderten Bücher. Ob dies übertrieben war oder eine Modernisierung für das heutige Textverständnis angemessen war muss wohl jeder für sich selbst entscheiden.
Weitere Informationen zu der Diskussion damals findet ihr etwas weiter unten in den Links.
Viele großartige Illustrationen von Winnie Gebhardt-Gayler
Zum ganz besonderen Charme des Buchs tragen ohne Zweifel die Illustrationen von Winnie Gebhardt-Gayler bei. Sie sind liebevoll mit einfachem Strich gezeichnet und zeigen Szenen aus dem jeweiligen Kapitel.
Winnie Gebhardt-Gayler erhielt für ihre Zeichnungen in Ottfried Preußlers „Der kleine Wassermann“ im Jahre 1957 den Sonderpreis für Text und Illustration des Deutschen Jugendliteraturpreises und bebilderte neben den Büchern Ottfried Preußlers noch viele weitere Kinder- und Jugendbücher.
Das nebenstehende Bild stammt aus dem Kapitel Fastnacht im Wald und zeigt die kleine Hexe mit Eulenaugen und Pferdezähnen sowie ihren Raben Abraxas mit einem angehexten Eichhörnchenschwanz.
Fazit
Ottfried Preußlers „Die kleine Hexe“ ist ein wunderbares Kinderbuch dessen Sprache und Handlung auch heute noch dazu geeignet ist vorgelesen zu werden. Ursprünglich von Preußler dazu geschrieben den eigenen Kindern die Angst vor Hexen zu nehmen und zu zeigen, dass es auch gute Hexen gibt, ist es ein schöner Gegenpol zu den klassischen Märchen in denen Hexen den Menschen nur Böses wollen.
Die Kapitel sind kurze Episoden die theorethisch im Mittelteil in beliebiger Reihenfolge gelesen werden können und den Weg der kleinen Hexe zu einer guten Hexe zu werden begleiten. Dabei fungiert der Rabe Abraxas als das Gewissen der kleinen Hexe und versucht sie durch Ermahnungen und Ratschläge auf den rechten Weg zu führen und den guten Menschen zu helfen und die bösen zu bestrafen, bzw. ihnen Streiche zu spielen.
Auffällig ist, dass die kleine Hexe keinen eigenen Namen hat. Sie wird immer nur die kleine Hexe genannt. Lediglich ihr Rabe Abraxas und die Muhme Rumpumpel haben als wiederkehrende Charaktere einen Namen. Ob sich der Name des Raben aus dem Zauberwort Abrakadabra oder direkt aus der Bezeichnung des höchsten Urwesens Abraxas (aus dem dann das Wort Abrakadabra wurde) herleitet kann nicht genau gesagt werden. Wahrscheinlicher ist meiner Meinung nach allerdings das Zauberwort. Auf jeden Fall ist es für einen Zauberraben ein passender Name.
Die kleine Hexe lässt sich durchaus auch psychologisch interpretieren. Die Hauptperson handelt zunächst impulsgetrieben und tut was sie will. Erst nachdem sie erwischt und bestraft wird hört sie auf ihren Raben der als eine Art von Gewissen fungiert. Ebenso schwebt über ihr die ganze Zeit eine schwarze Wolke in der sich die Muhme Rumpumpel verbergen könnte die darüber wacht, was die kleine Hexe macht, um sie am Ende des Jahres vor dem Hexenrat erneut bestrafen zu lassen.
Die kleine Hexe ist übrigens in ihren Handlungen nicht durch und durch gut. Sie bestraft böse Menschen oder spielt ihnen Streiche. Gewiss, ohne sie zu verletzen und mit der Intention, dass sie ihr Verhalten dauerhaft ändern. Ich denke allerdings nicht, dass dies schlimm ist, denn vom Prinzip her belohnt die kleine Hexe gutes Verhalten und hilft Menschen in der Not und bestraft schlechte Menschen, die anderen böses antun wollen. Kinder bekommen durch die kleine Hexe keine Angst vor Hexen, sondern bekommen gezeigt, dass man Menschen helfen soll und schlechtes Verhalten nicht nur anderen, sondern auch sich selbst schaden kann.
Alles in Allem ist das Buch „Die kleine Hexe“ von Ottfried Preußler auch heute noch ein absolut empfehlenswertes Buch. Beim Kauf würde ich übrigens auch immer die klassische Hardcover-Version empfehlen, die durch den schwarzen Einband auch nach vielen Lesestunden und vielleicht nicht ganz so sauberen Händen noch immer gut aussieht.
Weitere Links
Mehr zur kleinen Hexe bei Wikipedia
Mehr zu Ottfried Preußler bei Wikipedia
Mehr zu Winnie Gebhardt-Gayler bei Wikipedia
Zur „Negerlein-Debatte“ bei faz.net
„Kleine Hexe“ – Aus Negerlein werden Messerwerfer bei welt.de
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Buchinformationen
Autor | Ottfried Preußler |
Titel | Die kleine Hexe |
Seiten | 128 |
Datum der Erstveröffentlichung | 01. September 1957 |
Verlag | Thienemann Verlag |
Genre | Kinderbuch |
ISBN-13 | 978-3522105804 |
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